Nach nunmehr drei Verkaufsjahren hat sich Hondas Charaktersportler
mit im Motorgehäuse gelagerter Schwinge und den typischen seitlichen
Kühlern in aller Welt Fans erfahren. Ein Motorrad der Mitte, wie
geschaffen für die Landstraße. Enttäuscht blieb allerdings die
Heizerfraktion, die sich eine konsequentere Umsetzung des Themas
Sporttwin, eine erschwingliche Alternative zur Ducati 916
gewünscht hatte. Die Honda läßt sich zwar gern mal auf die
Rennstrecke führen, für echte Raserei fehlt ihr aber das
entscheidende Quäntchen Sportlichkeit: zu zahm die Spitzenleistung,
zu stumpf die Bremsen, zu gering die Bodenfreiheit, zu soft die
Abstimmung der Federelemente. Eine Tatsache, die manchen
Sportfahrer zu Konkurrenzprodukten greifen ließ, andere
hingegen antrieb, die VTR per Tuning zu trainieren. Mit
Erfolg, wie MOTORRAD feststellte: Einerseits an der VTR
aus der Hand des bekannten Honda-Tuners und Gasgebers Christian
Mende (Telefon 05153/963001), die mit TÜV-Segen schon
beachtliche Sporterfolge eingefahren hat.
Stufe eins: Mende-VTR 1000 F, aufgebaut, um die schnellstmögliche
VTR mit dem Segen des TÜV zu schaffen. Ein Ziel, das erreicht
sein dürfte - siehe Fahreindrücke Seite 151. Augenfällig,
dass die Serienoptik mittels Vollverkleidung und Höckersitzbank
in Richtung V2-NSR 500 getrimmt wurde. Der schwarze Lack
unterstreicht den kriegerischen Auftritt ebenso wie die
gelben Sechsspeichen PVM-Räder und vor allem die weit
hochgezogenen Karbon-Schalldämpfer. Auch ergonomisch blieb
nix beim Alten, denn die Füße lagern weit, weit oben auf
schön gefrästen Lucas-Fußrasten, die Hände auf
vergleichsweise tief geklemmten Lenkerhälften. Klar,
dass Tuner Mende beim Motor ansetzt. Ziel: möglichst viel
möglichst standfeste Leistung möglichst günstig zu mobilisieren.
Deshalb rotieren als einzige Sonderteile selbst gezeichnete
Nockenwellen in den Zylinderköpfen dieser VTR, während ansonsten
überarbeitete Serienteile die Motorleistung generieren.
Klassisches Tuning - Kurbeltrieb auswuchten, Kanäle und
Ventilsitze optimieren, Kolben und Brennräume bearbeiten
und Einbautoleranzen minimieren, dazu Feinabstimmung von
Vergasern und Zündanlage - zaubert eine überaus füllige,
in außerordentlich beachtlichen 131 Messpferden gipfelnde
Leistungskurve. Mit TÜV, wie gesagt.
Festhalten bitte
Sie ist klein, sie ist schwarz, sie ist stark. Vor allem Ersteres macht
größer gewachsenen Piloten das Leben auf der Mende-VTR nicht ganz
leicht. Die Lucas-Fußrastenanlage verlangt eine gewisse Leidensfähigkeit,
ebenso die eng angewinkelten Stummel. Nun, der Christian Mende mag das so.
Von allgemeinerem Interesse sind die Manieren des überarbeiteten Motors.
Der gibt sich fast allürenfrei, springt stets willig an, klingt
etwas kerniger, aber kaum lauter als sein Serienbruder.
Interessanterweise braucht er eine relativ hohe Wassertemperatur -
um die 80 Grad Celsius -, darunter nimmt er manchmal nur zögerlich
Gas an, ein Phänomen, das mit Rennauspuff gänzlich verschwunden
sein soll. Ordentlich warmfahren ist also angesagt und wird mit
einer Leistungsentfaltung für Genießer belohnt: perfekte Gasannahme,
satte, geschmeidige Leistungsentfaltung bis hin zu sanfter
Gewalt über das ganze Drehzahlband hinweg (dessen Ende ein
kleiner Schaltblitz im Originaltacho bei 10 800/min signalisiert)
sowie in allen Lastzuständen.
Die Kupplung begegnet der Drehmomentstärke durch starke Federn.
Dank einer besonders pfiffigen Betätigung der Kupplung über eine
Kniehebelmechanik halten sich die Handkräfte dennoch in erfreulichen
Grenzen. Genial, wie gut sich die Kupplung damit dosieren lässt.
Klar, dass so ein Motor der kurz übersetzten, schlanken Mende-VTR
ganz schön Beine macht. Eine Brembo Bremsanlage mit Radial-Handpumpe
vernichtet den Speed sauber dosierbar, die Beläge brauchen aber
ordentlich Betriebstemperatur für beste Bissigkeit.Und das Fahrwerk?
CBR 900 RR-Gabel mit Mende eigenen Federn vorn, Öhlins-Federbein hinten,
dazu ein Lenkungsdämpfer und die angesprochenen PVM-Räder.
Die leichte, hinten gehörig hochgelegte VTR lenkt enorm agil ein,
was konzentriertes Fahren erfordert, um Fahrwerksunruhen zu vermeiden.
Dies gilt besonders beim Einbremsen in die Kurve, da die relativ
weich gefederte Gabel tief eintaucht und so den Nachlauf nochmals
verkürzt, aber auch bei Highspeed, weil der Fahrtwind über den
Fahrer Lenkbewegungen provoziert. Ziemlich gewöhnungsbedürftig,
aber offenbar perfekt zu Besitzer Mende passend, dessen Rundenzeiten -
zum Beispiel Respekt gebietende 1,35 Minuten in Oschersleben gute
Noten ausstellen. Das straffe Öhlins-Federbein funktioniert in
gewohnter Manier tadellos, die Bodenfreiheit kennt keine Grenzen.
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