Mende VTR 1000 aus MOTORRAD vom 18.02.2000

Die VTR 1000 F - ein Straßenräuber erster Güte. Von Beginn an begeisterte der schlanke Nippon-V2Sportler in vielen Tests, glänzte mit stets ausreichender Motorisierung, einem handlichen, leicht beherrschbaren Fahrwerk und gefälligem Äußeren. Wahrhaftig ein guter Wurf, der auch im MOTORRAD-Langstreckentest nach 50000 Kilometern überzeugte.

Nach nunmehr drei Verkaufsjahren hat sich Hondas Charaktersportler mit im Motorgehäuse gelagerter Schwinge und den typischen seitlichen Kühlern in aller Welt Fans erfahren. Ein Motorrad der Mitte, wie geschaffen für die Landstraße. Enttäuscht blieb allerdings die Heizerfraktion, die sich eine konsequentere Umsetzung des Themas Sporttwin, eine erschwingliche Alternative zur Ducati 916 gewünscht hatte. Die Honda läßt sich zwar gern mal auf die Rennstrecke führen, für echte Raserei fehlt ihr aber das entscheidende Quäntchen Sportlichkeit: zu zahm die Spitzenleistung, zu stumpf die Bremsen, zu gering die Bodenfreiheit, zu soft die Abstimmung der Federelemente. Eine Tatsache, die manchen Sportfahrer zu Konkurrenzprodukten greifen ließ, andere hingegen antrieb, die VTR per Tuning zu trainieren. Mit Erfolg, wie MOTORRAD feststellte: Einerseits an der VTR aus der Hand des bekannten Honda-Tuners und Gasgebers Christian Mende (Telefon 05153/963001), die mit TÜV-Segen schon beachtliche Sporterfolge eingefahren hat.

Stufe eins: Mende-VTR 1000 F, aufgebaut, um die schnellstmögliche VTR mit dem Segen des TÜV zu schaffen. Ein Ziel, das erreicht sein dürfte - siehe Fahreindrücke Seite 151. Augenfällig, dass die Serienoptik mittels Vollverkleidung und Höckersitzbank in Richtung V2-NSR 500 getrimmt wurde. Der schwarze Lack unterstreicht den kriegerischen Auftritt ebenso wie die gelben Sechsspeichen PVM-Räder und vor allem die weit hochgezogenen Karbon-Schalldämpfer. Auch ergonomisch blieb nix beim Alten, denn die Füße lagern weit, weit oben auf schön gefrästen Lucas-Fußrasten, die Hände auf vergleichsweise tief geklemmten Lenkerhälften. Klar, dass Tuner Mende beim Motor ansetzt. Ziel: möglichst viel möglichst standfeste Leistung möglichst günstig zu mobilisieren. Deshalb rotieren als einzige Sonderteile selbst gezeichnete Nockenwellen in den Zylinderköpfen dieser VTR, während ansonsten überarbeitete Serienteile die Motorleistung generieren. Klassisches Tuning - Kurbeltrieb auswuchten, Kanäle und Ventilsitze optimieren, Kolben und Brennräume bearbeiten und Einbautoleranzen minimieren, dazu Feinabstimmung von Vergasern und Zündanlage - zaubert eine überaus füllige, in außerordentlich beachtlichen 131 Messpferden gipfelnde Leistungskurve. Mit TÜV, wie gesagt.

Festhalten bitte
Sie ist klein, sie ist schwarz, sie ist stark. Vor allem Ersteres macht größer gewachsenen Piloten das Leben auf der Mende-VTR nicht ganz leicht. Die Lucas-Fußrastenanlage verlangt eine gewisse Leidensfähigkeit, ebenso die eng angewinkelten Stummel. Nun, der Christian Mende mag das so.

Von allgemeinerem Interesse sind die Manieren des überarbeiteten Motors. Der gibt sich fast allürenfrei, springt stets willig an, klingt etwas kerniger, aber kaum lauter als sein Serienbruder. Interessanterweise braucht er eine relativ hohe Wassertemperatur - um die 80 Grad Celsius -, darunter nimmt er manchmal nur zögerlich Gas an, ein Phänomen, das mit Rennauspuff gänzlich verschwunden sein soll. Ordentlich warmfahren ist also angesagt und wird mit einer Leistungsentfaltung für Genießer belohnt: perfekte Gasannahme, satte, geschmeidige Leistungsentfaltung bis hin zu sanfter Gewalt über das ganze Drehzahlband hinweg (dessen Ende ein kleiner Schaltblitz im Originaltacho bei 10 800/min signalisiert) sowie in allen Lastzuständen.

Die Kupplung begegnet der Drehmomentstärke durch starke Federn. Dank einer besonders pfiffigen Betätigung der Kupplung über eine Kniehebelmechanik halten sich die Handkräfte dennoch in erfreulichen Grenzen. Genial, wie gut sich die Kupplung damit dosieren lässt. Klar, dass so ein Motor der kurz übersetzten, schlanken Mende-VTR ganz schön Beine macht. Eine Brembo Bremsanlage mit Radial-Handpumpe vernichtet den Speed sauber dosierbar, die Beläge brauchen aber ordentlich Betriebstemperatur für beste Bissigkeit.Und das Fahrwerk? CBR 900 RR-Gabel mit Mende eigenen Federn vorn, Öhlins-Federbein hinten, dazu ein Lenkungsdämpfer und die angesprochenen PVM-Räder.

Die leichte, hinten gehörig hochgelegte VTR lenkt enorm agil ein, was konzentriertes Fahren erfordert, um Fahrwerksunruhen zu vermeiden. Dies gilt besonders beim Einbremsen in die Kurve, da die relativ weich gefederte Gabel tief eintaucht und so den Nachlauf nochmals verkürzt, aber auch bei Highspeed, weil der Fahrtwind über den Fahrer Lenkbewegungen provoziert. Ziemlich gewöhnungsbedürftig, aber offenbar perfekt zu Besitzer Mende passend, dessen Rundenzeiten - zum Beispiel Respekt gebietende 1,35 Minuten in Oschersleben gute Noten ausstellen. Das straffe Öhlins-Federbein funktioniert in gewohnter Manier tadellos, die Bodenfreiheit kennt keine Grenzen.

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