Mende CBR 1100 XX aus MOTORRAD NEWS vom Mai 1997

Nach dem Ritt auf der rund 180 PS mächtigen Mende-Honda CBR 1100 XX wissen wir endlich, wie wohltuend langsam eine 750er im Seriensport Trimm oder eine offene 1000er von der Stange ist.

Wolfram Heger hatte vor den Proberunden mit seiner Seriensport-1100er grinsend gesagt: "Vollgas geht eigentlich nur auf der Geraden. Blödsinn? In Rijeka gibt es eine flüssige Rechts-Links-Kombination, die auf eine mehrere hundert Meter lange Gegengerade hinausführt. Auf einem normalen Motorrad heißt dort die Übung, den frühestmöglichen Punkt für das Kommando Vollgas herauszufinden. Ich winkele die Mende-Honda CBR 1100 XX im Rechtsbogen ab und peile gleichzeitig die Curbs vorn auf der linken Seite an. Genau im Scheitelpunkt der Biegung verlagere ich das Gewicht auf die linke Raste und drehte entschlossen am Quirl. Dreierlei geschieht: Die Drehzahl schnappt über 8000/min. worauf die Hinterhand einen kurzen Sidestep einlegt, sich gleich darauf wieder in den griffigen Asphalt krallt und drittens das Vorderrad liftet. Knapp vor dem Ende der folgenden Linkskurve bringe ich die Front mit leicht zitternden Kinnbacken wieder auf den Asphalt.

Tief im Innern schwöre ich: Nie werde ich auf diesem Untier vor Beginn der Geraden unsachgemäß am Gasgriff wickeln, und nie mehr werde ich eine PS-Angabe von Tuner Christian Mende anzweifeln. Trotz meines wenig rühmlichen Beschleunigungsmanövers stehen am Ende der Geraden 260 km/h auf der Uhr und zwar im fünften der sechs Gänge. Zum Vergleich: Normalmaschinen schaffen bis zum Bremspunkt etwa 230 km/h. Als die 1100er herauskam habe ich mir das Ding sofort angesehen und gedacht: Da kann man schon ein Rennmotorrad draus machen. Das Fahrwerk der 900er Honda ist von Tuning Motoren ab etwa 150 PS überfordert - die Mühle ist einfach zu kurz." So sprach Christian Mende, Tuner und Ex-Rennfahrer.

Er muss es wissen. Der 600er Supersport - Vizemeister von '93 schraubt seit Jahren vorzugsweise an Honda Viertaktern für den Einsatz in der Supersport- und Rallye- und Seriensport-Szene und gilt als gute Adresse für leistungsstarke, zuverlässige und leise Sportmotoren.

Wer die serienmäßige Honda CBR Doppel-X mit fetten 252 Kilo Fahrgewicht und dem monströsen doppelten Auspuffgeweih besichtigt, denkt garantiert nicht an ein Renngerät, das im Seriensport in der offenen Klasse 3 alles in Grund und Boden fahren soll. Um so erstaunlicher ist der erste Sichtkontakt mit dem schwarzgelb lackierten Monstrum von Mende. Die Sebimoto GfK-Verkleidung behält zwar die Originalform bei, aber das Doppelstock-Licht musste einem links eingelassenen 100er- Rundlämpchen weichen. Das gelbe Startnummernfeld und die beiden Luftnüstern darunter verleihen der 1100er ein wespenartig gieriges Gesicht, das sehr gut zu dem aggressiv hochgereckten 900er-Hinterteil passt.

Die knapp 20 Kilo mächtige Vier-in-Zwei Anlage hat Mende durch eine Krümmer-Anlage mit einem CBR 900 Endtopf ersetzt: "Die ist leise, leicht und stark. Obwohl da ein 1137er auspufft, habe ich nach EU-Norm nur 80 dB/A im Fahrbetrieb." Die Anlage gibt es folgerichtig, mit TÜV wie alle Änderungen am Motorrad. Im Original Trimm drücken die 1100er Hondas meist nicht die versprochenen 164 PS, sondern bescheiden sich mit 147 bis 155 Pferden. Die Mendeschen Änderungen von unten nach oben: Die Kurbelwelle wird feingewuchtet. Weil die beiden Ausgleichswellen verschwinden und die Laufkulturfördernde Verspannung der Primärräder eliminiert wird. Angesichts der gesteigerten Drehfreude bis 11000/min und der Gewichtseinsparung sind die stärkeren Vibrationen und die leichten mechanischen Geräusche tolerierbar.

Die Pleuel gleicht Mende im Gewicht an. die Kolben bleiben Serie und werden lediglich leicht nachgefräst. Der Hubraum beträgt bei unverändertem Bohrungs-/Hub-Verhältnis von 78 zu 58 Millimetern 1137 Kubik. Schließlich die Verdichtung: Sie wuchs von elf auf 12,9. Das verkraftet der Motor klaglos er braucht nur Euro-Super. Kopfbearbeitung ist Pflichtprogramm: Ventilsitze, Brennräume und Kanäle.

Schwierig ist vor allem die Abstimmung von Einlass und Auslass. Klar, daß der Vier-in-Eins-Auspuff eine andere Bedüsung der vier mächtigen 42er Keihins erfordert. Die Airbox blieb reglementskonform unangetastet, ebenso gibt es nach wie vor einen Luftfilter-Einsatz. Vor allein die Steigerung des Drehmoments von rund 120 Nm auf 140 Nm bei identischer Drehzahl von 7300/min stellt der Abstimmung ein sehr gutes Zeugnis aus.

Stichwort Kampfgewicht: Die Fuhre wiegt zurzeit 213 Kilogramm mit randvollem 22-Liter Stahltank. Fahrer Wolfram Heger: "Der gehört geändert, zumal der Sprit in dem Fass wild herumschwappt. Mit einem 16-Liter-Kübel, einer Carbon-/Kevlar-Verkleidung und ein paar Feinarbeiten sollten wir zur Saison bei 200 Kilogramm liegen." Das ist ein guter Zentner weniger als das Original. Grund für das gute Anschlagen der Diät ist das Layout des Alu Hauptrahmens, der dem der 206 Kilo leichten CBR 900 sehr ähnelt. Die 1100er-Gabel hat Mende durch das bekannt gute Pendant der 900er ersetzt, was zugleich den Nachlauf auf unter 90 Millimeter reduziert. Die Vierkolben-Bremsanlage der 900er übernahm er gleich mit. Die schwere und aufwendige Dreikolben-Verbund-Bremse der XX ist dagegen für den Rennstreckeneinsatz schlicht untauglich.

Dank, der sehr handlichen 900er-Lenkgeometrie sticht die Dicke zwar flink in die Kurven, aber sobald man Gas anlegt, wird sie etwas steif. Das hängt mit der ewig langen Schwinge der 1100er zusammen, die den Radstand der Eifer gegenüber der CBR 900 trotz der kompakten Lenkgeometrie um fast fünf Zentimeter verlängert 1450 zu 1405 Millimeter.

Die neuen Bridgestone BT 58 vorn und hinten tun ihr bestes, um das Handling flottzumachen. Die Pneus überzeugen mit bestialischem Grip, der hintere zeigt auch keinerlei unerwünschtes Eigenlenkverhalten, ob unter Last oder auf Bodenwellen.Während die Gabel hervorragend arbeitet, steckte bei unserem Test in Rijeka notgedrungen noch das originale 1100er-Federbein zwischen den hinteren Umlenkhebeln. Es gibt für die 1100er nämlich noch nichts auf dem Nachrüstmarkt. Ein versuchsweise eingebautes 900er Ählins-Federbein mit Längenverstellung funktionierte besser, aber noch nicht optimal. Fahrer und Tuner kennen das Problem natürlich und wissen bereits, wie es zu lösen ist. Mende: "Wir kombinieren ein Öhlins-Federbein mit Höhenverstellung mit der originalen 1100er-Hebelei. Das müßte passen."

Dann sollte sich das Potential der XXL-Honda auch in den Ecken umsetzen lassen. Selbst ohne den letzten Fahrwerksfeinschliff ist Heger nicht lahm unterwegs: "Mag sein, daß ich in den Kurven noch nicht besonders schnell bin. Aber die nächste Gerade kommt bestimmt."

Weitere Informationen:
(c) 2010-2023 powered-by-mende.de