"Sie ist da!" Der Ruf durch die Redaktion ist kaum verhallt, als Menschenmaßen
eilig durch die Gänge und Richtung Tiefgarage wuseln. Dort streichen viele
Augenpaare neugierig über das Objekt der Begierde: die schwarz/gelb lackierte
Mende Honda Hornet 900.
Eine aggressiv gestylte Hagen Lampenmaske mit zwei DE-Scheinwerfern schmückt
die Fahrzeugfront, kombiniert mit einem Superbike-Lenker, der an einer feinen
BKG-Gabelbrücke montiert ist. Die untere Brücke nimmt die Standrohre einer
CBR 900 RR per Achtfach-Klemmung fest in ihre Klauen. Zwei Verkleidungsteile
verzieren den Kühler, und eloxierte Schräubchen glänzen am Motor. Dessen
Unterseite ist wiederum von einem Bugspoiler umhüllt.
Makellose, einstellbare Gilles Rasten bieten Platz für die Füße. Am Fahrzeugheck
entlassen ABE-Schalldämpfer das Abgas ins Freie. Dazwischen leuchten Miniblinker
und ein bildschönes Dioden-Rücklicht um die Wette. Über diesem verschalt eine
Zubehör-Abdeckung den Sozius-Platz der Sitzbank.
Schließlich fallen wohlgestaltete Lightcon-Felgen ins Auge des Betrachters, den jetzt
endgültig nichts mehr halten kann: Aufsitzen, Starterknopf drücken und los gehts.
Sofort fällt auf, dass die beiden Endtöpfe angenehm gemäßigten Sound erzeugen.
Zudem ist die Auspuffanlage mit geregelten Katalysatoren ausgestattet, die das
Umwelt-Gewissen beruhigen.
In kaltem Zustand hüstelt die Mende-Hornet im unteren Drehzahlbereich allerdings
noch leicht verstimmt. Unter 4000/min mag sie nicht so recht Gas annehmen und
verschluckt sich etwas. Ein Phänomen, das im Warmzustand zwar milder in Erscheinung
tritt, aber nicht völlig verschwindet."Okay", denke ich, "dann bekommst du, was du brauchst"
und gebe ihr ordentlich die Sporen. Was die Hornet sogleich dankbar in
stürmischen Vorwärtsdrang umsetzt. Überwältigend, wie gierig und
willig sie Gasbefehle annimmt, unaufhaltsam loslegt und das Vorderrad
selbst im zweiten Gang noch in die Weite des Himmels schießt.
In beeindruckender Manier beschleunigt die genmanipulierte
Hornisse auf und davon und möchte gar nicht aufhören zu drehen.
Weiter und weiter jagt sie durchs Band und über den roten Bereich des
serienmäßigen Drehzahlmessers hinaus.
Der ins Cockpit integrierte Schaltblitz zuckt hektisch und mahnt zum
Gangwechsel, bei 12100/min kommt schließlich der elektronische Stopp.
Ein Blick aufs Messprotokoll des Prüfstandes verdeutlicht, was der
staunende Pilot soeben erfahren durfte: Beeindruckende 129 PS drückt
die 900er auf die Rolle. Das sind stramme 21 PS mehr, als eine Serien
Hornet zu leisten vermag.
Ein um 10 Kilogramm reduziertes Gewicht (207 kg) und die Verkürzung der
Übersetzung durch Ritzel und Kettenrad um mehr als 20 Prozent
(15:49 statt 16:43) machen die große Hornet auch nicht gerade langsamer.
Freilich dreht der Vierzylinder bei gleicher Geschwindigkeit nun höher.
Das merkt vor allem, wer auf der Autobahn unterwegs ist. Wen hohe
Drehzahlen nicht schrecken, der wird am Begrenzer mit einer
Höchstgeschwindigkeit von 247 km/h belohnt. Um eine Nacheilung des
Serien-Tachos zu verhindern, ist diesem ein einstellbarer Konverter
vorgeschaltet, der an verschiedene Übersetzungen angepasst werden kann.
Doch wie kommt es, dass das Triebwerk des Edel-Insekts die Kraft für
solch atemberaubende Darbietungen entwickelt? Christian Mende gibt
Auskunft: "Die originalen Nockenwellen sind so umgeschliffen, dass
durch die geänderten Steuerzeiten mehr Gasdurchsatz gewährleistet ist."
Der Meister weiter: "Strömungsgünstig bearbeitete Ansaugkanäle und
Änderungen am Benzindruck sowie dem Einspritzdüsen-Winkel erlauben
einwandfreie Verwirbelung. Außerdem lassen optimierte Ventilsitze
mehr zündfähiges Gemisch in die modifizierten Brennräume einströmen."
Der Tuner erhöhte zudem die Verdichtung auf 13:1 und passte die Serienkolben
den geänderten Platzverhältnissen im Brennraum an. Für einen ruhigen Motorlauf
wurde die Kurbelwelle feingewuchtet. Der Niedersachse fertigte zudem
eine tadellose Krümmeranlage und glich Zünd-und Einspritzkurven dem
erstarkten Aggregat an.
Ein wahres Kraftpaket also, das nach einem straffen Fahrwerk verlangt.
So werkelt in der Front die bereits erwähnte Gabel der CBR 900, verfeinert
mit Federn von Wilbers. Dadurch spricht die serienmäßig etwas unsensible
Forke spürbar besser an. Lediglich beim scharfen Bremsen, das durch die
tadellose Original-Anlage der CBR 900 zum freudigen Erlebnis wird,
taucht die Hornet schnell ab und geht sanft auf Block. Etwas härtere
Federn würden die sonst astreine Arbeit der Gabel wirkungsvoll unterstützen.
Ebenfalls von Wilbers stammt das Federbein. Sensibel ansprechend und satt
gedämpft, verrichtet es hervorragend seinen Dienst. In Höhe, Zug- und
Druckstufe einstellbar, ergeben sich reichlich Kombinationen für das Setup.
Die Druckstufe bietet sogar Justiermöglichkeiten im Low- und Highspeed-Bereich.
Bei sanften Bodenwellen federt der Monoshock langsam ein-ein Fall für die
Lowspeed Dämpfung. Diese sollte vergleichsweise straff ausfallen, damit
das Motorrad satt liegt. Kurze, harte Schläge hingegen fordern durch schnelle
Einfeder-Bewegungen die Highspeed-Druckstufe. Für gutes Ansprechverhalten
bei derben Boden-Unebenheiten darf deren Schräubchen ein paar Klicks weiter
geöffnet werden als beim Lowspeed-Pendant.
Derart justiert, lässt es sich trefflich heizen. Phänomenal, wie satt die
Hornet liegt, glasklar die Rückmeldung von der Straße. Auch die Sitzposition
mit angehobenem Heck und breiter, hoher Lenkstange macht heiss aufs Ballern und
das flinke Treiben zum Genuss. Kurven durchfahren? Super! Anvisieren,
abwinkeln, durchpfeilen, fertig.
Die Metzeler Sportec M-1 harmonieren dazu perfekt mit der Hornisse,
unterstützen deren eindrucksvolle Fahreigenschaften und verwöhnen mit viel Grip.
FAZIT: Die Mende-Hornet ist ein fesches, bärenstarkes und wieselflinkes
Spaß-Gerät mit großem Sucht-Potenzial. Lediglich an der etwas unwilligen
Gasannahme bis 4000/min sollte Mende noch arbeiten, damit es bei der
Hornisse auch unten herum brummt.
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