Es soll tatsächlich Leute geben, denen gesunde 100 PS zum
Landstraßensurfen immer noch nicht ausreichen. Gründe für
den Leistungshunger liegen nicht zuletzt darin, dass die
Fahrwerke und Bremsen moderner Motorräder immer perfekter
geworden sind. Eine 95 PS starke CB 900 F von 1979 würde
kaum jemand so flink um die Ecken scheuchen wie die aktuelle
900er Hornet - höchsten unter Verlust einiger Liter Angstschweiß.
Dass die große Hornisse durchaus Möglichkeiten bietet,
noch mehr Qualm zu entwickeln, zeigt bereits die Auslegung
des Motors: Er stammt ursprünglich aus der 98er Fireblade.
Die Spitzenleistung schrumpfte allerdings von 128 Pferdestärken
auf 109, die Stärke des Triebwerks sollte eher in sattem
Durchzug und Kraft bei niedrigen Drehzahlen liegen.
Wie sich kultiviertes Benehmen im erweiterten Drehzahlspektrum
mit satter Spitzenleistung vereinen lässt, zeigt die von Tuner
Christian Mende aufgebaute Homet. Bei ihr blieb auch das Fahrwerk
nicht unangetastet. Weil dem Fahrer so viel Power sonst vielleicht
doch Schweißperlen auf die Stirn treibt. Die Basis der Mende-Hornet
bildet der stabile Serienrahmen, welcher mittels massiver
BKG-Gabelbrücken nun eine Upside-Down-Gabel der SC44-Fireblade aufnimmt.
Die spendierte auch die Bremsanlage für das exklusive und leichte
Räderwerk aus dem Hause Lightcon. Für den exakten Druckpunkt beim
Bremsen sorgen Kevlarleitungen von Hagen Motorsport.
Federelemente von Fahrwerksguru Benny Wilbers vermitteln derweil
den richtigen Boden-kontakt und halten die Fuhre auch bei extremen Manövern in der Spur.
Um dem Vierzylinder mehr Dampf zu verleihen, griff Christian
Mende auf "klassisches" Tuning zurück. Klassisch in dem Sinne,
dass weitgehend überarbeitetes Serienmaterial zum Einsatz kommt.
Der Zylinderkopf erhielt eine Frischluftkur, Kanäle und Ventilsitze
samt Brennräumen mussten sich strömungs-begünstigende Eingriffe
gefallen lassen.
Die Oberflächen der Kolben kamen ebenfalls nicht ohne Optimierungen
aus, Quetschkanten und Ventiltaschen wurden dem überarbeiteten
Hochdruckgebiet angepasst:
Das Verdichtungsverhältnis stieg von 10,8 auf 13:1, um die
(dank umgeschliffener Nockenwelle) gestiegene Füllung mit
mehr Bumms zu verarbeiten. Der fein gewuchtete Kurbeltrieb garantiert
geschmeidigen Lauf und langlebige 131 PS.
Bei der Probefahrt stellt sich unverzüglich ein vertrautes Gefühl ein.
Bereits ab 1500 Umdrehungen dreht der Vierzylinder ruckfrei hoch. Nur
hängt er feiner am Gas und vermittelt den Eindruck, als liefe er mit
weniger Reibungswiderstand, als wären die Motorinnereien um einiges
leichter geworden.
Kurzum: Gute Teamarbeit im Gehäuse. Gasstöße lassen das Triebwerk sofort
aus den hoch gezogenen BOS-Tüten bellen - der originale Hornet-Triebling
hebt die Drehzahl im Vergleich nur müde an. Lebendig zieht der Reihenvierer
bis 6500 Umdrehungen, legt dann ein Pfund nach und kickt die Homet ab
8500 U/min brachial in Richtung Horizont. Zuerst in den roten Bereich
des Drehzahlmessers. Und dann oben wieder heraus.
Erst kurz vor 12 000 Touren mahnt der nachgerüstete Schaltblitz im
rechten Analoginstrument zum Gangwechsel. Falls man es überhaupt so
lange schafft, den Hahn stehen zu lassen. Selbst im letzten Gang dreht
die Hornet aus, das entspricht beachtlichen 240 Stundenkilometern.
Die verkürzte Sekundär Übersetzung sorgt beim Angasen für knackig-kurze
Schaltsprünge. Leistung steht jederzeit in jedem Gang zur Verfügung.
Metzelers Sportec M-1 ist dabei ein hilfreicher Geselle.
Nach kurzer Eingewöhnungsphase, in der das Gummi noch etwas kippelig
rüberkommt, lässt sich die Mende-Honda auf der Landstraße perfekt in
Kurven schmeissen und wieder herausbeschleunigen.
Die Reifendimension ist identisch mit der Werksausstattung. Die hintere
Felge wuchs von 5,5 auf sechs Zoll an, um dem Pneu in Schräge mehr Kontakt
zur Straße zu verschaffen. Das Gefühl von Sicherheit verstärkt auch
die Fireblade - Bremsanlage, die ihre Befehle über Kevlar Leitungen
entgegen nimmt und mit exaktem Druckpunkt sowie feine Dosierbarkeit punktet.
Selbstredend durfte die äussere Erscheinung der Honda bei so viel
Detailarbeit ebenfalls nicht im Serientrimm verbleiben. Die kontrastreiche
Farbgebung täuscht auf den erste Blick über viele Kleinigkeiten hin
und es braucht Zeit, bis man sie entdeckt hat.
Auffällig sind natürlich Umbauteile wie der Bugspoiler von
Hagen-Motorsport, die trickreiche Gilles-Rasteranlage sowie eine
anschmiegsame Soziussitzabdeckung von Moko. Akzente setzen die
güldenen Schrauben an den Motordeckeln, und am Heck wird der
Interessierte wieder fündig: Die Beleuchtungslösung mit
LED-Rücklicht und Mini-Blinkwarzen ist einfach frech.
Im Verborgenen wirken dagegen noch entscheidende Zutaten, auf welche
die Serien-Hornet zurzeit noch verzichten muss: Das Kollektorrohr
der Mende-Krümmeranlage nimmt zwei geregelte Katalysatoren mitsamt
Lambdasonde auf. So erübrigt sich auch für PS-Pessimisten die Frage,
ob denn Leistung Sünde sein kann.
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