Mende CBR 1100 XX aus MOTORRAD Reisen & Sport vom Juli 1997

Die CBR 1100 XX ist von Hause aus nicht gerade ein Spargeltarzan. Zum Herkules jedoch wird der BIG Block in der Hand von Tuner Christian Mende - er trimmt den Vierzylindermotor auf stolze 182 PS.

Unter Motorrad versteht man alle Fahrzeuge, die im Prinzip weniger als vier Räder haben und von einem Motor angetrieben werden. Die Räder müssen normalerweise den Boden berühren." Soweit das Technik-Handbuch der OMK (Oberste Motorsport-Kommission). Im Falle der von Christian Mende getunten Honda CBR 1100 XX, ist das mit den Rädern am Boden so eine Sache. Denn das vordere befindet sich vorwiegend in der Luft, unabhängig davon, ob der erste, zweite oder dritte Gang eingespannt ist. Zudem war die XX für den Proberitt auf mehr als 290 km/h übersetzt, was Fahrer Wolfram Heger zu dem Warnhinweis veranlasste: "Vollgas geht im Prinzip nur geradeaus!"

Bis zu meiner dritten Runde im Motodrom Rijeka mochte ich ihm nicht glauben. Das etwas rauh laufende Kraftwerk bietet selbst in den oberen Gängen sattes Drehmoment. Und die Gasdosierung erledigt sich so handzahm, daß ich mich zwar auf einem sehr starken, aber keineswegs unfahrbar starken Motorrad wähnte. Also ließ ich in einer flüssigen Biegung den dritten Gang drin wie auf einer 750er. Dann winkelte ich die XXL ab, peilte die Curbs am Kurvenscheitelpunkt an und drehte auf Dreiviertelgas. Der Motor fauchte auf über 8000 Touren, der Hinterreifen rutschte seitlich weg, und die spitze Verkleidungsnase stieg in den blauen kroatischen Himmel. Ich fing das Monster kurz vor den Außencurbs wieder ein und schwor mir, fortan auf Wolfram zu hören. Am Ende der Geraden stehen gut 260 Sachen auf der Uhr. Im fünften Gang, den sechsten hatte ich gar nicht mehr eingelegt bekommen.

Aus der friedvollen Super Blackbird wird ein Raubvogel
Selbst schnelle Serien-Tausender schaffen bis zum Bremspunkt nur etwa 235 km/h. Die XXL ist also höchstens für Superbike Profis ein Gewohnheitstier. "Ich hab' gleich gewußt, daß man aus der 1100er eine Rennmaschine machen kann." Tuner Christian Mende spricht ein großes Wort gelassen aus. Schließlich ist er vom Fach: Der Supersport-Vizemeister von 1993 weiß, wie ein Racer funktionieren sollte. Doch eine Honda CBR Doppel-X mit original 252 Kilogramm und dem massiven Auspuffgeweih als Renner, der im Seriensport bis 1200 Kubik alles niederbügelt? Schwer vorstellbar. Erstaunlich, was schon ein wenig gelbe Farbe bewirkt. Die Sebimoto-GFK-Verkleidung behält die Originalform bei, lediglich das skurrile Doppelstocklicht weicht einem linksseitigen Rundlämpchen. Zusammen mit dem gelben Startnummernfeld auf der spitzen Nase wirkt die Super Blackbird wie ein Raubvogel.

Die fette Abgasanlage, fast 20 Kilo schwer, muß einem von Mende selbstentworfenen Krümmerfächer mit CBR 900-Endtopf weichen. Diese Anlage gibt es mit TÜV; alle Änderungen am Motorrad sind zulassungsfähig.

Die 1100er Serien Hondas bringen statt der vom Werk versprochenen 164 Pferde nur zwischen 147 bis 155 PS auf die Bahn. Wie konnte Mende da gut 180 PS und ein Drehmoment von 140 Nm in den Big Block pumpen? Einfach so: Kurbelwelle feinwuchten und somit die beiden Ausgleichswellen überflüssig machen. Die Folge: ungebremste Drehfreude bis 11 000/min und 3,6 Kilo Gewichtsersparnis. Die Pleuel werden im Gewicht angeglichen, die Kolben leicht nachgearbeitet. Das Bohrung-/ Hub-Verhältnis bleibt unangetastet. Die Verdichtung wächst von 11,0 auf 12,9, was der Motor problemlos verkraftet - er braucht lediglich Eurosuper. Über Details der Zylinderkopfbearbeitung schweigt sich der Meister aus.

Klar, dass die 4-in- 1 Anlage eine andere Bedüsung der vier 42er Keihin-Vergaser erfordert. Aber das Ansaugsystem, kein Ram-Air, reagiert heikel auf Eingriffe. Airbox und Luftfiltereinsatz bleiben also reglementskonform unberührt. "Die Ansaugluft muss wirbelfrei und kalt in der Airbox ankommen. Überdruck ist nicht so wichtig", weiß Christian Mende.

Stichwort Gewicht: Noch wiegt das Renntier 213 Kilogramm, und zwar mit randvollem 22-Liter-Stahltank. Das heisst, die CBR 1100 XX hat bereits durch die Ex und hopp Methode Lampe, Plastikteile, Auspuff, Ständer usw.) um rund 80 Pfund abgespeckt. Noch nicht genug. Fahrer Wolfram Heger: Mit einem 16-Liter-Fass, einer Kohlefaserverkleidung und ein paar Feinarbeiten sollten wir auf knapp 200 Kilo runterkommen." Ein Zentner weniger, als das Original wiegt.

Trotz der handlichen Lenkgeometrie wird die XXL unter Zug etwas steif. Die endlose Schwinge verlängert nämlich den Radstand auf 1450 Millimeter. Wolfram: "Das muss so sein, sonst bewegt man sich nur noch auf dem Hinterrad" Beim Test-Bike werkelte noch das Original-Federbein zwischen den hinteren Umlenkhebeln. Besser passt ein extralanges, höhenverstellbares Öhlins-Federbein.

Das Layout des Alu-Hauptrahmens ähnelt dem der CBR 900. Die schwere 11 00er Gabel ersetzt Mende durch das gute Pendant aus der 900er, was zugleich den Nachlauf von 100 auf 94 Millimeter verringert. Die 300er Vierkolbenbremsanlage der 900er übernimmt er gleich mit,denn die serienmäßige Dreikolben-Verbundbremse ist für den Renneinsatz untauglich.

Bei den 1000 Kilometern von Hockenheim funktionierte das Fahrwerk der Mende Honda XXL tadellos: In der großen Klasse fuhren Wolfram Heger und sein Partner Jürgen Müller im Regen auf Rang zwei.

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